Nach landesgesetzlichen Vorschriften wurden
in einzelnen Bundesländern im Bundesstaat Österreich (Ständestaat
1934 - 38) auch Fahrräder mit einer Abgabenpflicht belegt. Diese Abgabe
wurde landesweit in den Bundesländern
Kärnten[1], Niederösterreich[2], Oberösterreich[3], Steiermark[4]
und Wien[5] eingehoben[6]. Die Fahrradabgabe war jährlich im vorhinein,
und unabhängig von der tatsächlichen Benützung des Rades
zu entrichten. In der Regel betrug die Abgabe zwischen öS 5,00 und
6,00. Radfahrer mußten ständig ihren Zahlschein mitführen und
ihn bei den regelmäßig durchgeführten Kontrollen durch
die Exekutive vorweisen. Weiters mußte eine Kennzeichentafel auf dem Fahrrad
(in Niederösterreich und Wien zwei Tafeln) angebracht werden.
In Salzburg[7] bestand zwar die Verpflichtung
auf Fahrrädern Kennzeichen zu führen, die Einhebung der Abgabe
lag aber im Ermessen der Gemeinden und betrug
max. öS 5,00.
Von der Abgabe befreit waren die Gebietskörperschaften
und "bresthafte Personen[8]", die das Fahrrad für ihre eigene Fortbewegung
benötigten sowie der unbenützte Lagerbestand von Fahrraderzeugern
und Fahrradhändlern.
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Linkes Bild: Oberösterreichische
Kennzeichen waren "...entweder an der Druckstange der Vorderradbremse oder,
wenn eine solche nicht vorhanden ist, am Rahmenhalse parallel zum Fahrradrahmen
in der Richtung nach vorn zu befestigen."
Rechtes Bild: Steiermärkische
Fahrradkennzeichen waren "...an der linken Seite der Vorderachse anzubringen
und mit der linken Vorderradmutter zu befestigen." Sie enthielten außerdem
den Landesnamen und die entsprechende Jahreszahl.
Diese Kennzeichen waren aus
Stahlblech mit abgerundeten Ecken gefertigt und beidseitig geprägt.
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In Niederösterreich
und Wien gab es:
"...zwei Nummerntafeln, wovon
eine gekröpft ist. Die beiden Nummerntafeln sind aufrecht und mit
der Nummer nach außen an der Achse des Vorderrades in der Fahrtrichtung
außerhalb der Gabel anzubringen und mittels Schraubenmutter, allenfalls
unter Mitverwendung von Beilagscheiben, so festzuschrauben, daß ihr
Flattern zuverlässig hintangehalten wird. Die mit der Auskröpfung
versehene Nummerntafel ist bei Fahrrädern mit Innenbacken-(Trommel-)bremse
für jene Seite des Vorderrades bestimmt, an der sich die Bremsvorrichtung
befindet.
Bei Vorsteckrädern ist
von den beiden Nummerntafeln eine an der Stirnseite, die andere an der
vom Lenker aus betrachtet rechten Seitenwand des Kastens so anzubringen,
daß die obere Kante der Nummerntafel nicht über die obere Kante
des Kastens hinausragt."[9]
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Oberösterreichischer
Zahlschein über die Entrichtung der Fahrradabgabe.
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Kärnter Abgabemarke
der Jahre 1935/36, Dm ca. 38 mm [10].
Die Abgabemarke war "...an
der Lenkstange links bei der Glocke mit der Nummer nach oben anzubringen."
Die Abgabemarken ab 1937 (siehe
unteres Bild "F 16672") waren "...an der Vorderachse links mit der Nummer
nach außen ...und... senkrecht zur Vorderachse, anzubringen." |
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Fahrradkennzeichen im
Größenvergleich zu einer 3,5 Zoll-Diskette
S 4174 - Steiermark 1938, St.G.S.
19355 - Stadt Salzburg 1936, G 6435 - Oberösterreich 1936/37, F 16672 - Kärnten
1937/38, G 4918 - Oberösterreich 1937/38, V 129 - Steiermark 1937,
R 9094 - Steiermark 1936, S 1561 - Wien 1937/38 |
Seitens der Betroffenen gab es starke Proteste gegen diese "Fahrradsteuer". Man sah in ihr eine drückende Belastung
jedes einzelnen Radfahrers, die auch den Volkswohlstand gefährdet[11].
Bedenken äußerte auch die Firma Steyr-Daimler-Puch AG, Hersteller
des legendären "Waffenrades", die einen Produktionsrückgang und
eine große Zahl an Entlassungen befürchtete.
Nach dem Anschluß Österreichs an das
Deutsche Reich wurde diese unbeliebte Abgabe rasch wieder aufgehoben. Es
ist untragbar, daß der kleine Mann, der sein Fahrrad für den Weg
zu seiner Arbeitsstätte verwendet, extra bezahlen muß, hieß
es damals.
Wiener Fahrradkennzeichen 1945 - 1947
[1] |
Gemäß
"Gesetz vom 28. März 1935 über die Einhebung einer Fahrradabgabe
im Lande Kärnten" wurde rückwirkend mit 1. Jänner 1935 öS
5,00 als Abgabe festgesetzt und bis zur "Verordnung des Landeshauptmannes
von Kärnten vom 21. März 1938 betreffend der Aufhebung der Fahrradabgabe"
eingehoben. |
[2] |
Gemäß
"Landesgesetz vom 19. Nov. 1937 betreffend die Einhebung einer Fahrradabgabe
im Lande Niederösterreich" wurde mit Wirksamkeit vom 1. Jänner
1938 öS 5,00 als Abgabe eingehoben. Die Aufhebung erfolgte vermutlich
im Erlasswege. |
[3] |
Die
Abgabe wurde gemäß "Gesetz vom 11. Dez. 1936 über die Einhebung
einer Fahrradabgabe im Lande Oberösterreich" vom 1. Jän. 1937
bis 28. April 1938 landesweit eingehoben. Sie betrug im Jahre 1937
öS 5,00 plus 60 Groschen für das Abgabekennzeichen. (Ab Okt.
1934 bis Dez. 1936 waren die Gemeinden ermächtigt aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses
eine Fahrradabgabe einzuheben.) |
[4] |
Gemäß "Gesetz vom
14. März 1936 über die Einhebung einer Fahrradabgabe zur Instandsetzung
und Erhaltung von Straßen" wurde rückwirkend mit 1. Jänner
1936 öS 5,00 als Abgabe festgesetzt und bis zur "Kundmachung des Landeshauptmannes
von Steiermark, betreffend Verzicht auf die Einhebung Fahrradabgabe" vom
29. März 1938 eingehoben. |
[5] |
Mit dem "Stadtgesetz vom 13.
Mai 1937 betreffend die Einhebung einer Fahrradabgabe" wurde mit Wirksamkeit
vom 1. Juni eine Gebühr von öS 6,00 festgelegt und bis zur "Verordnung
des Bürgermeisters über die Aufhebung der Fahrradabgabe", vom
4. Juni 1938 eingehoben. |
[6] |
In den Landesarchiven der
Bundesländer Burgenland, Tirol und Vorarlberg fanden sich keine Vorschriften
oder Hinweise über die Einhebung einer Fahrradabgabe. |
[7] |
Gemäß
"Landesgesetz vom 19. Jänner 1934 über die Einführung von
Nummerntafeln für die Fahrräder" betrug die Abgabe in der Stadt
Salzburg öS 5,00 und max. öS 3,00 für die übrigen Gemeinden. |
[8] |
Die Bezeichnung "bresthaft"
wurde vor allem in Süddeutschland und Österreich bis in die Dreißiger
Jahre des 20. Jahrhunderts auch in der Gesetzgebung für behinderte
Menschen verwendet. Sie bezieht sich primär auf körperlich behinderte
Menschen, wird aber auch für geistig oder mehrfachbehinderte Menschen
verwendet. Da die Bezeichnung als abwertend gilt wurde sie aus dem legistischen
Sprachgebrauch entfernt und durch nicht diskriminierende Formulierungen
ersetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist sie aber in einigen Regionen
durchaus noch üblich. Es werden manchmal auch altersschwache, kranke
oder gebrechliche Personen als bresthaft bezeichnet. |
[9] |
Wortidente
Montageanweisung für Niederösterreich und Wien. |
[10] |
Das
Original dieser Marke befindet sich in der Realiensammlung des Kärnter
Landesarchivs. |
[11] |
Im Jahre
1936 kostete im Durchschnitt ein Liter Frischmilch 42 Groschen und eine
Tageszeitung 10 Groschen. (1 Schilling = 100 Groschen). |
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